Maßnahmen zur Förderung und Schonung von Nützlingen

Breit wirksame Insektizide werden im Ökologischen Obstbau zur Schonung der Nützlingsfauna soweit irgend möglich vermieden. In allen Bausteinstrategien zur Regulierung von Schädlingen sind die natürlichen Gegenspieler ein unverzichtbarer Baustein von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für den Erfolg.

Kosten Nutzen Behandlung
Abbildung 13: Das Konzept der ökonomischen Schadensschwelle im Ökologischen Obstbau

Bei der Entscheidung über die Anwendung eines Wirkstoffs im Rahmen eines Schadschwellenkonzepts werden daher nicht nur Kosten und Nutzen der Behandlung abgewogen sondern ein wesentliches wirtschaftliches Entscheidungskriterium sind auch die Nebenwirkungen der Behandlung auf die Nützlingsfauna.

Pyrethrumpräparate, die als Kontaktinsektizide ein breites Wirkungsspektrum haben, werden daher nur in den stark betroffenen Anlagen gegen Apfelblütenstecher kurz nach dem Austrieb wenn meist noch wenige Nützlinge unterwegs sind, eingesetzt. Oft sind in diesem Fall auch nur Teilflächenbehandlungen notwendig (etwa nur der Anlagenteil direkt am Waldrand).

Nützlinge im Öko-Obstbau
Nützlinge sind wichtige Gegenspieler von Blattläusen. Schwebfliegen benötigen Nektar aus offenen Blüten

Alle anderen möglichen Anwendungen werden aufgrund der obengenannten Entscheidungskriterien als wirtschaftlich nicht sinnvoll eingestuft und erfolgen daher auch nicht. Bei Pyrethrumpräparaten muss berücksichtigt werden, dass zwar bei einem direkten Kontakt mit der Spritzbrühe eine Schädigung erfolgen kann, dass der Wirkstoff aber sehr schnell durch UV-Einwirkung abgebaut wird – eine langanhaltende Wirkung und damit auch Schädigung der Insektenfauna ist bei diesen Präparaten daher eher weniger zu erwarten. Die wesentlich selektiveren Präparate NeemAzal-T/S und Quassia werden maximal bis zu abgehenden Blüte eingesetzt. Ab Blühende werden nur noch Präparate auf der Basis der hochselektiven Granuloviren eingesetzt, in manchen Fällen auch Präparate auf der Basis von Bacillus thuringiensis, die ebenfalls nützlingsschonend sind.

Die im Rahmen der Strategie zur Regulierung von Pilzkrankheiten eingesetzten Schwefelpräparate haben allerdings auch Effekte auf die Milbenfauna. Ein intelligenter Umgang mit den Schwefelpräparaten, der die Gesamtstrategie berücksichtigt, und eine Förderung aller Gegenspieler der Spinnmilben sind daher sehr wichtig. Trichogramma-Schlupfwespen werden durch Schwefelpräparate stark geschädigt. Die Anwendung von Schwefelpräparaten steht hier einer dauerhaften Etablierung dieses Nützlings in den Anlagen entgegen.

Ohrwurmversteck
Ohrwurmversteck aus Kaffeefilter (Foto J. Zimmer)

Die einzelnen Maßnahmen zur Förderung von Nützlingen werden aus arbeitstechnischen Gründen derzeit nicht quantitativ erhoben. Viele Betriebe praktizieren individuelle Maßnahmen. Im Folgenden sollen einige kurz beschrieben werden.

Im BÖLN-Projekt Nr. 06OE325 wurde ein Verfahren zur Förderung von Ohrwürmern ausgearbeitet (siehe Foto), die unter anderem von großer Bedeutung für die Regulierung der Blutlaus sind. Nisthilfen für Vögel sind eine durchaus gängige Maßnahme. Empfohlen werden zehn Nisthilfen pro Hektar (siehe www.biodiv-oekoobstbau.de) Vögel können aber auch in bestimmten Fällen erhebliche Fruchtschäden verursachen. Der Grund für dieses Verhalten ist noch nicht vollständig geklärt.

Wo immer es möglich ist, werden Hecken oder kleine Gehölzgruppen am Anlagenrand angelegt.

Die Förderung von Nützlingen über Randstreifen mit Hochstauden sowie über Blühstreifen und generell das Vegetationsmanagement in der Fahrgasse wurde seit Mitte der achtziger Jahre immer wieder initiiert und aufgrund von Managementproblemen und Schäden mit Scher- und Feldmäusen wieder aufgegeben.

Seit 2007 haben einige Pionierbetriebe im Arbeitskreis Insektenregulierung und Naturschutz auf ihren Flächen Blühstreifen mit heimischen Wildkräutern angelegt. Ein erster Ansatz zur Ausarbeitung eines Konzepts für Blühstreifen in der Fahrgasse zur Förderung der natürlichen Gegenspieler von Blattläusen wurde im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts (Az 29250-34) gemacht.

In den letzten Jahren haben immer mehr Betriebe in einem ersten Schritt angefangen, in der Fahrgassenmitte zumindest einen Streifen der natürlichen Vegetation stehenzulassen. Dadurch entsteht Lebensraum für Insekten und ein gewisses Nahrungsangebot für Prädatoren. Dafür muss jedoch eine technische Umrüstung mit einem speziell angepassten Mulchgerät erfolgen. Auch Hochstaudensäume am Anlagenrand können Nahrung und Lebensraum für Nützlinge bereitstellen. Bei entsprechender Pflanzenauswahl können sie auch früh im Jahr ein Blütenangebot bereitstellen. Ein frühes Blütenangebot findet sich auch in den Baumstreifen vor der ersten mechanischen Bearbeitung. Blühstreifen in der Fahrgasse sorgen für ein großflächiges Angebot von Nahrung und Lebensraum für viele Insekten, ohne dass die Anbaufläche reduziert werden muss. Sie sind auch für die Förderung von Nützlingen sehr wichtig.

Im Rahmen des Arbeitskreises Insektenregulierung und Naturschutz im Arbeitsnetz wurden Maßnahmenpakete konzipiert, die sowohl eine Förderung von Nützlingen als auch eine vermehrte Integration von Naturschutzzielen in das Anbausystem ermöglichen. Diese Maßnahmen wurden in Zusammenarbeit von Obstbau- und Naturschutzfachleuten der Universität Hohenheim und des ÖON e.V. in verschiedenen Regionen in ganz Deutschland in der Praxis validiert und optimiert (Projekt Nr. 3514685A27 im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt). Ein Maßnahmenkatalog mit allen Maßnahmen ist unter biodiv-oekoobstbau.de verfügbar. Ein Video zum Thema ist verfügbar unter https://biodivobst.uni-hohenheim.de/kurzbiodivmobil.mp4.

Hecke am Anlagenrand
Hecke am Anlagenrand
Stehenlassen der Fahrgassenmitte
Stehenlassen der Fahrgassenmitte
Hochstaudensaum am Anlagenrand
Hochstaudensaum am Anlagenrand
Nisthilfe für Wildbienen
Nisthilfe für Wildbienen
Angepasstes Mulchgerät
Angepasstes Mulchgerät
Blühstreifen in der Fahrgassenmitte
Blühstreifen in der Fahrgassenmitte
Nisthilfe für Vögel
Nisthilfe für Vögel
Frühblüher im Baumstreifen
Frühblüher im Baumstreifen
Ohrwurmversteck
Ohrwurmversteck aus Kaffeefilter (Foto J. Zimmer)

Strategieansätze in der Weiterentwicklung des Anbausystems

  • Die Integration von Naturschutzzielen in das Anbausystem im Zusammenspiel mit einer noch gezielteren Förderung von Nützlingen muss weiter intensiviert werden. Das Management von Blühstreifen in der Fahrgasse ist anbautechnisch noch weiterzuentwickeln. Maßnahmenkombinationen, in Abstimmung auf die umgebenden Landschaftsstrukturen, sollten validiert werden.
  • Für verschiedene Schädlinge und Krankheiten müssen Regulierungsstrategien entwickelt werden, die möglichst einen weitergehenden Verzicht als bisher auf den Einsatz von Präparaten ermöglichen, die nicht vollkommen selektiv für Nützlinge sind. Wo dies noch nicht möglich ist, müssen die genauen Effekte dieser Präparate untersucht werden, um sowohl Maßnahmen zur Risikominimierung als auch zur Förderung einer schnellen Wiedererholung möglichst gut abzustimmen.
  • Bei der Entwicklung von Regulierungsstrategien für neu auftretende Schädlinge und Krankheiten muss auf die Schonung von Nützlingen geachtet werden, um etwaige Gegenspieler in diese Strategie einzubeziehen und auch die bestehenden Strategien nicht zu gefährden.