Genetische Diversität der angebauten Sorten
Für den Befallsdruck und die Virulenz von Pilzkrankheiten spielt die genetische Vielfalt der Wirtspflanzen eine erhebliche Rolle. Im Obstbau ist dies besonders wichtig, da sich in der Dauerkultur ein Inokulum über Jahre hinweg in einer Anlage anpassen und aufbauen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass die Sorten vegetativ vermehrt werden, d.h. alle Bäume einer Sorte genetisch gleich sind.
Für die genetische Vielfalt innerhalb der Sorten ist die erste und einfachste Darstellungsart der flächenbezogene Sortenspiegel. Diese wird in den folgenden Darstellungen genutzt.
Durch die Züchtungsarbeit der letzten fünfzig Jahre, die mit wenigen erfolgreichen Linien gearbeitet hat, sind die Sorten oft sehr nah verwandt. Daher bedeuten unterschiedliche Sorten nicht unbedingt eine hohe genetische Vielfalt. Bestätigt wurde dies 2010 mit einer umfassenden Analyse der Stammbäume vieler moderner Sorten. Bei den Recherchen wurde berechnet, wie viel des Genoms zweier Sorten theoretisch (angenommen wird eine Vererbung des Genoms von Mutter und Vater zu je 50 %) abgeleitet aus dem Stammbaum identisch ist. Auf dieser Basis kann die theoretische prozentuale Übereinstimmung des Genoms zweier Sorten dargestellt werden.
So haben z.B. Jonagold und Elstar eine theoretische prozentuale Übereinstimmung des Genoms von 0,25 %. Auch Jonagold und Topaz (0,14 %) sind noch verwandt während z.B. die Sorte Discovery mit beiden Sorten hinsichtlich des Stammbaums keine Übereinstimmung aufweist.
Werden mehrere Sorten auf einen Schlag gepflanzt, ist es sinnvoll, neben anderen Parametern auch das Verwandtschaftsverhältnis dieser Sorten als Entscheidungskriterium einzubeziehen. In der Schlagkartei steht den Betrieben ein derartiges Entscheidungstool zur Verfügung, das das jeweilige Verwandtschaftsverhältnis der anderen Sorten zur Hauptsorte (mit der größten Fläche auf diesem Schlag) anzeigt.
Eine „Mischkultur“ aus mehreren genetisch nicht verwandten Sorten wäre durchaus wünschenswert, ist aber aus organisatorischen Gründen sehr schwierig. Erste Tastversuche für ein solches Unterfangen sind im BÖLN-Projekt 06OE194 erfolgt, derzeit ist eine solche Strategie aber noch nicht umsetzungsfähig.
Neben dem Verwandtschaftsverhältnis ist bei schowi-Sorten natürlich der genetische Hintergrund der Schorfwiderstandsfähigkeit sehr wichtig. Die momentan verfügbaren schowi-Sorten gründen ihre Widerstandsfähigkeit fast alle auf dasselbe Gen (Vf=Rvi6) – eine wirklich langfristig tragfähige Widerstandsfähigkeit kann auf dieser Basis nicht aufgebaut werden. Bereits jetzt können große Unterschiede bei den einzelnen Rvi6-Sorten hinsichtlich Ausprägung und Dynamik bei einem Schorfdurchbruch beobachtet werden (Abbildung 11). Diese ist sehr stark abhängig vom regionalen Schorfinokulum und der weiteren genetischen Disposition der Rvi6-Sorten.
Abbildung: relativer Blattschorfbefall (Befallsklassen nach ‚Lateur‘ and ‚Populer‘ (1994); 1= kein Befall; 9 = Fast alle Blätter/Baum komplett befallen mit mehrfachen Läsionen/Blatt) in unbehandelter Versuchsparzelle am Standort Weilheim in den Jahren 2017-19