Apfelwickler (Cydia pomonella)

Der Apfelwickler ist einer der häufigsten und wirtschaftlich wichtigsten Schädlinge im Apfelanbau in ganz Europa. Aufgrund seiner versteckten Lebensweise kann der Apfelwickler trotz natürlicher Gegenspieler wie Schlupfwespen, Vögel und Fledermäusen sehr hohe Populationen aufbauen und verursacht auch im Streuobst oder in unbehandelten Kleingärten erhebliche Schäden. Früchte, die früh befallen werden, sind nicht mehr verwertbar, spät befallene Früchte, die noch nicht faulen, können teilweise noch als Verwertungsobst Verwendung finden. Ein starker Befall führt aber nicht nur zu Ernteverlusten sondern auch zu einem erheblichen Mehraufwand bei der Ernte, da die befallenen Früchte sofort vor Ort aussortiert werden müssen.

Apfelwicklerlarve in der Frucht (Foto J. Kienzle)

In den Anfängen des Öko-Obstbaus waren es die Schäden durch den Apfelwickler, die neben dem Apfelschorf das größte Problem darstellten. Ein damals kleines Startup-Unternehmen Andermatt Biocontrol AG (www.biocontrol.ch) in der Schweiz entwickelte Ende der achtziger Jahre ein innovatives, biotaugliches Produkt: Das Apfelwicklergranulovirus, das erst in der Schweiz und später auch in Deutschland zugelassen wurde. Damit hatten die Öko-Obstbauern ihr Apfelwicklerproblem zunächst gelöst. Als dann noch die Pheromon-Verwirrungstechnik praxistauglich wurde, konnten diese beiden Verfahren kombiniert werden: Das Granulovirus zum Niedrighalten der Population und die Verwirrungstechnik als Grundbaustein der Strategie.

Mithilfe der Sexualpheromon-Dispenser, die im oberen Kronenbereich gleichmäßig über die Gesamte Anlage aufgehangen werden (250-500stk/ha je nach Typ), werden die männlichen Falter verwirrt, da sie die echten Weibchen nicht mehr ausmachen können, wodurch die Vermehrung deutlich reduziert wird. Der Einsatz der Granuloviren richtet sich gegen die Larven des Wicklers. Da die Larve erst abstirbt, wenn sie Granuloviren aufgenommen hat, kommt es oft zu kleinen Schäden an den Früchten (abgestoppter Befall), die im Frühsommer noch verkorken und die Haltbarkeit nicht beeinträchtigen.

Abgestoppter Befall an Apfelfrüchten
Abgestoppter Befall an Apfelfrucht (Foto J. Kienzle)
Die Fraßstelle ist weitgehend eingetrocknet
Eingetrockneter Naschfraß (Foto J. Kienzle)
RAK 3
RAK® 3 Dispenser (Foto J. Kienzle)
CheckMate Puffer CM (Foto Fa. Suterra)

Nach den Jahrhundertsommern 2002 und 2003 mit optimalen Bedingungen für den Apfelwickler wurden allerdings in einigen Betrieben Probleme beobachtet: Während man bisher davon ausgegangen war, dass bei den Granuloviren eine Resistenzbildung nicht möglich sei, zeigten sich nun plötzlich Resistenzen gegen den damals eingesetzten Apfelwicklergranulovirus-Biotyp. Einige Öko-Betriebe hatten sehr starken Apfelwicklerbefall, der nicht mehr regulierbar war.

Aus dem Arbeitsnetz heraus wurden BÖLN- Projekte initiiert. In den BÖLN-Projekten Nr. 05OE023 und 2809OE097-100 sowie in einem von der EU geförderten Projekt „SustainCpGV“, das vom DLR Rheinpfalz und dem Institut für Biologischen Pflanzenschutz des JKI koordiniert wurde, wurden in Zusammenarbeit mit den beteiligten mittelständischen Firmen und den betroffenen Praxisbetrieben neue Granulovirus-Präparate entwickelt und in der Praxis getestet, die die natürliche Vielfalt der Granuloviren nutzen, um der Resistenzentwicklung zu begegnen. Zudem wurde auch ein Schnelltest für ein rasches Monitoring der Empfindlichkeit der jeweiligen Apfelwicklerpopulationen erarbeitet. Bis 2021 erfolgte im Rahmen eines BÖLN-Projekts (FKZ 2815OE081, 2815OE109-112) ein intensives Monitoring der Entwicklung der Populationen in den Öko-Anlagen, um die weitere Entwicklung der Empfindlichkeit der Apfelwicklerpopulationen gegen Granuloviren zu beobachten, ein optimales Virulenzmanagement mit den verfügbaren neuen Isolaten des Granulovirus zu implementieren und ggf. neu auftretende Resistenzen sofort zu untersuchen.

Um zusätzliche Bausteine für ein Resistenzmanagement zur Verfügung zu haben, wurde aus dem Arbeitsnetz heraus zusätzlich ein Projekt bei der Bundesstiftung Umwelt initiiert (Az 23940). Darin wurden weitere biotaugliche Verfahren geprüft. Während Bt-Präparate und der Pilz Beauveria bassiana kaum Effekte zeigten, hat sich letztendlich der Einsatz von entomopathogenen Nematoden gegen die überwinternden Larven des Apfelwicklers bewährt. Da die Apfelwickler sehr anlagentreu sind, kann damit der Befallsdruck für das Folgejahr um etwa die Hälfte reduziert werden. Generell zeigte es sich, dass es ratsam ist, die Überwinterungsmöglichkeiten für die Apfelwicklerlarven möglichst einzuschränken. In rissigen Weichholzpfählen und vor allem in älteren Tonkinstäben finden die Larven optimale Verstecke, in denen sie vor ihren Feinden gut geschützt sind. Viele Betriebe mit hohem Apfelwicklerbefallsdruck haben inzwischen ihre Tonkinstäbe entfernt und setzen bei Neuanlagen auf anderes Unterstützungsmaterial.

Tonkinstab und Nematodenbefall
Rissiger Tonkinstab – das ideale Winterversteck für Diapauselarven des Apfelwicklers (links, Foto J. Kienzle) und von Nematoden befallene Diapauselarve (rechts, Foto Andermatt Biocontrol AG)

Forschungsarbeit wurde schon in einen Baustein investiert, der bis heute nicht praxisreif ist: Der Einsatz von Trichogramma-Schlupfwespen, die die Eier des Apfelwicklers parasitieren, wäre ein sehr attraktives Verfahren. Bis jetzt ist dieses Verfahren allerdings aufgrund der Kurzlebigkeit der Trichogrammen und der relativ hohen Kosten nicht praxistauglich.

Trichogramma
Von Trichogramma evanescens parasitiertes Apfelwicklerei und Ausbringungskärtchen (Foto J. Kienzle)

Granuloviren müssen von den Apfelwicklerlarven aktiv mit ihrer Frasstätigkeit aufgenommen werden. Daher findet sich oft am Apfel eine kleine „Knabberstelle“, der sogenannte abgestoppte Befall. Dies bedeutet, dass die Larve kurz gefressen hat und dann erst abgestorben ist. Da Fruchtschäden aber oft nicht vollständig verhindert werden können, ist das Granulovirus vor allem zum Niedrighalten der Population geeignet. Dafür muss im Allgemeinen während der gesamten Periode des Larvenschlupfs Belag gehalten werden.

Apfelwickler Aufwandmenge

Abbildung 22: Schematische Darstellung der notwendigen Daten für die Ermittlung der Aufwandmenge an Granuloviren zur Beimi­schung der Fungizidspritzung im Ökolo­gischen Obstbau

Das Granulovirus wird vor allem durch UV-Strahlung inaktiviert. Die größte Inaktivierung erfolgt in den ersten zwei Tagen nach Ausbringung. Als Faustregel wird normalerweise angenommen, dass die ausreichende Wirksamkeit 7 Sonnentage lang (ein Tag mit wolkigem Wetter wird als halber Sonnentag gerechnet) anhält. Würde das Präparat gesondert ausgebracht, wäre der Aufwand an Überfahrten kaum vertretbar.

In der Praxis wird das Granulovirus im Frühsommer in Tankmischung zusammen mit den jeweiligen Behandlungen zur Regulierung von Krankheiten ausgebracht, so dass nur wenige Extra-Überfahrten notwendig sind. Die Kombinationsmöglichkeit mit den Granuloviren in der Tankmischung ist daher bei dieser Strategie ein wichtiges Kriterium (die Mischbarkeit mit den im Öko-Anbau gängigen Präparaten wurde in den BÖLN-Projekten 05OE023 und 2809OE097 geprüft und entsprechende Empfehlungen ausgesprochen). Im Spätsommer wird dann unter anderem auch bei den Spritzungen mit Kalziumpräparaten zur Prävention von Stippigkeit Granulovirus zugegeben.

Je häufiger das Präparat ausgebracht werden kann, desto besser und gleichmäßiger ist die Wirkung. Wird z.B. innerhalb von 10 Tagen zweimal behandelt, ist es daher sinnvoller, die Aufwandmenge gesplittet auf diese beiden Behandlungen zu verteilen als sie konzentriert an einem Termin auszu­bringen.

Die Aufwandmenge pro Spritzung richtet sich dabei nach folgenden Parametern:

  • Befallsdruck in der Anlage
  • Erwarteter Larvenschlupf bis zur voraussichtlich nächsten Möglichkeit zur Ausbringung in Tankmischung
  • Zu erwartender Abstand zur nächsten möglichen Applikation

Wenn Larven aus einer starken Eiablageperiode schlüpfen, werden hohe Aufwandmengen ausge­bracht. Ist der Larvenschlupf verzettelt und eher gering, sollten trotzdem keine großen Belagslücken gelassen werden sondern weiterhin mit geringeren Aufwandmengen Belag gehalten werden.

Muss aus anderen Gründen in relativ kurzem Abstand wieder eine Applikation erfolgen und ist die Mischbarkeit mit Granuloviren dort gegeben, ist es wie bereits beschrieben sinnvoller, pro Applikation geringere Aufwandmengen einzusetzen (Splitting).

Werden Granuloviren zum Niedrighalten der Population eingesetzt, ist es notwendig, über einen großen Teil des Zeitraums, wenn Apfelwicklerlarven schlüpfen, mit Granuloviren Belag zu halten. In den meisten Regionen beginnt dieser Zeitraum je nach Witterung in der zweiten Maihälfte oder Anfang Juni und endet Mitte bis Ende August (d.h. bis zu 3 Monate). Je nach Witterungsverlauf reichen die derzeit für das jeweilige Präparat zugelassenen 10 Anwendungen pro Jahr nicht aus, um wie fachlich korrekt notwendig mit möglichst vielen Einzelbehandlungen in kurzen Abständen den Belag während der gesamten Schlupfperiode zu halten.

Derzeit wird empfohlen, die Anwendungen kurz vor der Ernte einzusparen, wenn es zwar noch zu Einbohrungen kommt, die Larven sich aber nicht mehr bis zur Diapauselarve entwickeln können. Voraussetzung dafür ist aber, dass die befallenen Früchte sofort abgesammelt und entsorgt werden können, was in der Ernte nicht überall möglich ist. Bei späteren Sorten reicht auch diese Strategie nicht aus. Es muss also theoretisch ein Wechsel innerhalb der verschiedenen Isolate auf dem Markt erfolgen, was derzeit eher nicht angeraten wird und bei Anlagen, die bereits gegen ein Isolat Resistenzen aufweisen, als schwierig einzuschätzen ist.

Es ist daher sehr wichtig, dass in den einzelnen Bundesländern das Splittingverfahren akzeptiert wird. Eine Integration des Splittingverfahrens in Neuzulassungen für Granuloviruspräparate wäre sehr wünschenswert, um ein optimales Resistenzmanagement zu erleichtern.

Die klassische Bausteinstrategie zur Regulierung des Apfelwicklers im Ökologischen Obstbau bestehend aus der Anwendung der Verwirrungsmethode in Kombination mit dem Einsatz von Granuloviren zum Niedrighalten der Population wird von den meisten Betrieben im Südwesten fast überall dort praktiziert, wo der Einsatz der Verwirrmethode von der Anlagengröße her möglich ist. An der Niederelbe wurde die Verwirrmethode erst ab 2016 vermehrt angewendet, 2018 war dies dann wieder rückläufig, hat aber in 2019 und 2020 wieder zugenommen. Im Osten werden ebenfalls nicht alle Anlagen verwirrt, die behandelte Fläche nimmt aber deutlich zu. Granuloviruspräparate werden mit Ausnahme des Frostjahres 2017 im Südwesten auf allen Flächen eingesetzt. Die Ausbringmengen und die Anzahl Applikationen orientieren sich am Befallsverlauf im jeweiligen Jahr und am Befallsdruck. Nach dem Jahr 2018 mit einem sehr warmen trockenen Sommer mit entsprechendem Befall wurde z.B. in der Region Bodensee im Folgejahr mit deutlich höheren Aufwandmengen an Apfel- wicklergranuoviruspräparaten behandelt.

War die Kontrolle im Sommer nicht vollständig erfolgreich, werden im Herbst entomopathogene Nematoden eingesetzt, um den Befallsdruck zu reduzieren. Das Absammeln der befallenen Früchte während der Ausdünnung wurde in vielen Betrieben praktiziert. Zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte das vor allem bei Betrieben, bei denen durch das Auftreten von Resistenzen plötzlich hoher Befall auftrat. Im Frostjahr 2017 haben in der Region Neckar / Baden einige Betriebe die wenigen vorhandenen Früchte, die dann auch befallen waren, abgesammelt und so die Behandlungen mit Granuloviren eingespart. Die Praktikabilität einer Einzelreiheneinnetzung für den Ökologischen Obstbau im Hinblick auf eine Anwendung zur Reduktion hoher Apfelwicklerpopulationen wurde im Rahmen des BÖLN-Projekts FKZ 2815OE112 getestet. Derzeit wird sie in der Praxis nur sehr vereinzelt und auf keinem der Betriebe in der Stichprobe eingesetzt. Betrachtet man den Erfolg der Strategie über die sieben Jahre der Erhebung, so hat die praktizierte Strategie nicht in allen Jahren zu einem vollständigen Schutz vor Ertragsausfällen geführt. Das Auftreten von Resistenzen gegenüber dem Granulovirus sowie extensivere Strategien haben in einzelnen Jahren teilweise zu erheblichen Ernteausfällen geführt. Die Applikation eines resistenzbrechenden Granuloviruspräparates in Kombination mit der Verwirrungsmethode kann den Befall aber sehr gut wieder reduzieren wie sich z.B. am Befall in 2020 für die Region Ost gut ablesen lässt.

Abbildungen: Übersicht über den Einsatz von Maßnahmen (jeweils behandelte Fläche in Prozent, bei den Granuloviruspräparaten ist auch die Gesamtaufwandmenge dargestellt) zur Regulierung des Apfelwicklers in den einzelnen Regionen (oben), Anzahl Applikationen und mittlere Aufwandmenge (dargestellt für ds Handelspräparat Madex MAX) pro Applikation (Mitte), Erfolg der Strategie: Anteil der Stichproben an den einzelnen Befallsklassen (unten) (Einteilung der Klassen siehe Tabelle unter den Abbildungen)

Strategieansätze zur Weiterentwicklung des Anbausystems

Die Strategie zur Regulierung des Apfelwicklers muss für die Betriebe die Ertragssicherheit gewährleisten. Dabei ist es sowohl dringend notwendig, die noch offenen Fragen für ein optimales Virulenz- und Resistenzmanagement für die Granuloviren zu beantworten, als auch, eine Strategie zur Reduktion der notwendigen Anzahl Applikationen zu entwickeln.

  • Erarbeitung von Strategien zur Reduktion der Anzahl der Behandlungen mit Granuloviren in der zweiten Generation in Abstimmung mit einer reduzierten Strategie zur Regulierung von Pilzkrankheiten (wird derzeit bearbeitet im Rahmen des BÖL-Projekts OEKOAPFELFORWARD (FKZ 2822OE139, 150-154).
  • Monitoring der weiteren Entwicklung der Resistenzen gegen Granuloviren in den einzelnen Regionen und Abklärung der Mechanismen beim Auftreten neuer Resistenzen.
  • Erhöhung der Wirkungsdauer von Granuloviren mit biotauglichen Verfahren (z. Verkapselung).
  • Optimierung der Organisation der Lagerung von Altholz aus kürzlich gerodeten Anlagen in den Betrieben und vermehrte Beratung hinsichtlich der Risiken eines unkontrollierten Populationsaufbaus, die mit einer Lagerung neben Apfelanlagen in Produktion verbunden sind.
  • Test der Möglichkeiten der Reduktion der Diapauselarven in Kisten, die neben der Anlage gelagert
  • Optimierung des Trichogramma-Einsatzes (Verlängerung der Wirkungsdauer).
  • Entwicklung von arbeitsextensiven Möglichkeiten zum Abfangen der Diapauselarven in stark befallenen Anlagen ähnlich wie in den Wellpapperingen, die aus arbeitstechnischen Gründen nicht in größerem Umfang ausgebracht werden können.
  • Untersuchung des derzeitigen Parasitoidenspektrums des Apfelwicklers besonders in Anlagen mit höherem Befall vor dem Hintergrund einer möglichen Förderung der Parasitoide.
  • Entwicklung von Verfahren zur Reduktion des Eintrags von Plastik in die Obstanlagen: Entwicklung von Dispensern aus biologisch abbaubaren Bio-Kunststoffen.
  • Optimale Einbindung von Puffern in die Strategie wo vom Gelände- und Anlagendesign her machbar.
  • Der Einsatz von Präparaten auf der Basis des Wirkstoffs Spinosad wäre nach der EG-VO zum Ökologischen Landbau zulässig und ein möglicher Baustein. Das breit wirksame Präparat ist jedoch als bienengefährlich eingestuft, was bedeuten würde, dass sämtliche blühende Pflanzen in der Anlage vor einer Behandlung abgemulcht werden müssten. Außerdem verursacht das Präparat eine starke Schädigung der beiden wichtigsten Gegenspieler der Blutlaus: des Ohrwurms und der Blutlauszehrwespe. Durch einen Einsatz würde die Gesamtstrategie zur Regulierung von Insekten daher so stark beein- trächtigt, dass er nicht als sinnvoll erachtet wird. Es werden aus diesem Grund seitens der FÖKO keine Anstrengungen unternommen, eine Zulassung von Spinosad für den Apfelwickler in Deutschland zu erreichen und damit als Baustein für die Strategie verfügbar zu haben.